Erfahrungsbericht 3
Vom Schweigen zur eigenen Meinung Bericht von Matthias aus Wien (Quelle: dialog 2013/1 Seite 6 der ÖSIS – www.stotternetz.at) Heute genieße ich es mit Menschen zu diskutieren, frei meine Meinung zu sagen und auf der Bühne zu stehen. Leider ist es nicht für jeden Menschen selbstverständlich, selbstbewusst seine Meinung äußern zu können, Telefonate zu erledigen oder sogar an der Theke etwas zu bestellen. Die Hälfte meines Lebens war gekennzeichnet durch eine immer wieder aufkommende Angst vor jedem gesprochenen Wort. Die damit verbundene Verkrampfung machte ein lockeres Sprechen schier unmöglich. Nach einer typischen Schulzeit als Stotterer, die mit allen negativen Erfahrungen verbunden war, begann ich an der Universität in Innsbruck Musik und Geschichte auf Lehramt zu studieren; es war nicht mein großer Wunsch Lehrer zu werden, jedoch die Fächerkombination sah eine pädagogische Zusatzausbildung vor. Mir war klar, dass ich - nach ein paar wenigen Therapieversuchen - wieder etwas für mein Sprechen tun muss, da eine Vielzahl von Referaten, Präsentationen und Praktika auf mich warten würden. So kam ich 2003 durch die Österreichische Selbsthilfe-Initiative Stottern ÖSIS auf das 7 Tage dauernde Seminar von Roland Pauli am Mondsee und habe mich dafür angemeldet. Ich wusste damals noch nicht, dass diese Woche mein Leben für immer verändern wird. Angekommen in Mondsee wurde ich von einer Gruppe liebenswerter Menschen empfangen, die sich zum Teil aus anderen Seminaren kannten und nahmen mich bedingungslos in die Gruppe auf. Erst nach längerem Zusammensein wurde mir bewusst, wer aus unserer Runde der Seminarleiter war, der sich bis dahin unauffällig in die Gruppe eingereiht hat. Doch schließlich ergriff er das Wort und erzählte über sein Leben und die Ropana-Methode. Ich erlebte einen selbstbewussten Redner, der sein Sprechen im Griff hatte und für seine Sache brannte. Ich war von Roland sehr beeindruckt und wollte ebenfalls diese Ebene des kontrollierten Sprechens und der mentalen Stärke erreichen - ab diesem Zeitpunkt war Roland mein großes Vorbild und ist es bis heute geblieben. Ich habe schnell erkannt, dass diese Methode genau das Richtige für mich war. Nach den 7 Tagen hatte ich das Handwerk gelernt, um anschließend zu Hause weiterüben zu können. Dies habe ich konsequent ein Jahr gemacht – inklusiv einem Vertiefungswochenende in Burghausen. Die Leitsätze wurden zu meinen ständigen Begleitern. In der Früh habe ich mich mit den Leitsätzen auf den Tag und auf die kommenden Herausforderungen eingestimmt. Ob ich nun eine Präsentation, ein Gespräch mit einem Professor oder eine freie Diskussion unter Studenten hatte, ich hatte stets das sichere Gefühl mein Training in der Früh absolviert zu haben – vergleichbar mit einem Sportler, der sich am Morgen für das bevorstehende Spiel aufwärmt; bei mir war es das Spiel des Lebens. Zu Beginn hatte ich mir noch für jeden Tag einen Satz ausgewählt, den ich auf einem Zettel notiert in meine Federschachtel legte, um immer wieder mental unterstützt und an die Leitsätze erinnert zu werden – gerade die Hilfe mit der bewussten Pause 21, 22, 23 vor dem Sprechen, gab mir eine große Sicherheit. Am Abend habe ich dann die Leitsätze wiederholt und einige Sätze, die während des Tage nicht gelungen sind, nachbereitet. Nach etwa einem Jahr hatten sich mein Gehirn und mein Körper so an dieses Ritual gewohnt, dass ich nur noch ab und an vor einer mündlichen Prüfung oder einer Rede die Leitsätze zur Sicherheit wiederholt habe. Im Alltag reichte schon der Gedanke an die Leitsätze, um in die richtige Sprecheinstellung zu kommen. Ich hatte das Glück, dass ich mich auf Grund meiner Gesangsausbildung zusätzlich sehr viel mit Atmung und Lockerung, insbesondere der Gesichtspartien, beschäftigte. Durch das von Roland vermittelte Wissen über die Anwendung der Ropana-Methode, konnte ich meine täglichen Sprechübungen mit meinen Gesangsübungen besser verbinden, und so haben sich beide Übungsarten gegenseitig bereichert. Erst die bewusste Verknüpfung hat dazu geführt, dass sich durch das Singen auch mein Sprechen verbessert hat. Heute lebe ich als freischaffender Sänger in Wien und kann mein Alltag sehr gut bewältigen. Das Thema Stottern ist nicht mehr an erster Stelle in meinem Leben; ich habe gelernt damit umzugehen und mir eine Technik und ein Wissen erarbeitet, wie ich gelegentlich aufkommende Unsicherheiten in den Griff bekomme. Mein tägliches Üben hat sich gelohnt!
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